„Was die Opfer der Perversen von den Masochisten unterscheidet, ist das unendliche Befreiungsgefühl, das sie empfinden, wenn es ihnen durch ungeheure Anstrengung gelingt, sich zu lösen. Sie sind erleichtert, weil Leiden als solches sie eben nicht interessiert.
Wenn sie sich mal über längere Zeit hin auf das perverse Spiel eingelassen haben, dann eher, weil sie wirklich lebendig sind und weil sie Leben geben wollen, und sich sogar an die unmögliche Aufgabe heranwagen, einem Perversen zu Leben zu verhelfen: „Mit mir wird er sich ändern!“
Ihre Tatkraft ist allerdings mit einer gewissen „Schwäche“ gekoppelt. Indem sie sich in das unmögliche Unterfangen stürzen, Tote aufzuerwecken, beweisen sie eine gewissen Überschätzung ihrer eigenen Kräfte. Etwas wie Herausforderung spielt da mit. Sie sind stark und begabt, aber sie müssen sich beweisen, daß sie es sind. Sie sind verletzlich, weil sie sich unschlüssig sind über ihre eigenen Fähigkeiten. Vermutlich ist es das, was sie empfänglich macht für die Phase der Verführung, in der der Perverse nicht versäumt, sie aufzuwerten. In der Folge kann ihre Hartnäckigkeit gefährlich sein. Sie geben nicht auf, weil sie sich nicht vorstellen können, daß nichts zu machen ist, daß man keine Veränderung erwarten kann. Wie wir sehen werden, würden sie sich schuldig fühlen, ihren Partner im Stich zu lassen.“
Aus „Die Masken der Niedertracht – Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann“ von Marie-France Hirigoyen